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21. Kapitel

Die Leere zwischen den Dimensionen, ein abgewendetes Happy End und noch mehr Tiere.

 

Erneut war Au die letzte, die erwachte. Diesmal war der Untergrund jedoch weich und warm. Da sie nicht einmal mehr die Flucht vom Papierflieger mitbekommen hatte, war sie vollkommen orientierungslos, als sie die Augen öffnete und ihre Umgebung betrachtete.

Sie befand sich in einem kleinen Raum, dessen Wände, Boden und Decke vollständig gepolstert waren. Alles war in einem sanften Beige gehalten, bis auf ein Schild, welches dort angebracht war, wo man mit etwas genauerem Betrachten eine Tür erkennen konnte. Das Schild hatte die Form eines Dreiecks: ein dicker, roter Rand auf weißem Grund rahmte eine große Maus mit einer schweren Armbrust auf dem Rücken ein. Sie sollte später feststellen, dass es sich bei dem Schild in Wirklichkeit um ein Kissen handelte, denn warum hätte man einen ganzen Raum polstern sollen, wenn man letztendlich doch wieder einen harten Gegenstand hineinhängt?

„Wir haben uns auch schon über das Schild gewundert“, hörte sie plötzlich Fidsters Stimme. Er saß neben den anderen beiden an eine Wand gelehnt. Ihre beigen Overalls sorgten dafür, dass sie fast mit der Wand zu verschmelzen schienen.

„Ich glaube“, sagte Cleene, „dass man uns veräppeln will.“

Der Professor schüttelte den Kopf. „Das ist ein Warnschild, was bedeutet, dass es uns warnen soll.“

„Vor Ratten mit Armbrüsten auf dem Rücken? Ich mag Ratten.“

„Aber wahrscheinlich keine Ratten mit Armbrüsten auf dem Rücken, die sie auf dich abfeuern, wenn du zu fliehen versuchst.“

„Welcher Wahnsinnige kommt denn auf so eine Idee?“

Zur Antwort erhielt sie nur ungläubige Blicke.

„Wo sind wir?“ fragte Au.

„Wir wissen es genauso wenig wie du. Aber wir besitzen einige Hinweise, dank unserer lieben Kollegin.“ Erneut erntete Cleene Blicke. Diesmal waren sie jedoch eher wütender Natur.

„Wieso? Was ist geschehen?“

„Möchtest du es erzählen, oder soll ich schnell zusammenfassen?“ bot sich Fidster an. Cleene zog nur die Schultern hoch und überließ ihrem Kollegen das Wort.

„Erinnerst du dich noch an den Raum der Kommandanten? Der mit den Ratten und Kakerlaken?“ Au nickte. „Gut. Dann wirst du dich sicher auch daran erinnern, dass wir dort ein Geschenk für Cleene gefunden haben, dass wir zurückgelassen haben?“ Erneut nickte Au. Ihr dämmert jedoch bereits, was folgen würde. „Möchtest du raten, was geschehen ist? Auf die Details kommt es dabei nicht einmal an.“

„War in dem Geschenk ein Knopf?“ war das einzige, was die Haartanerin noch wissen wollte, woraufhin der Professor und Fidster gemeinsam nickten. Cleene schien unterdessen etwas Interessanteres an der Decke entdeckt zu haben.

„Und daraus haben sie geschlossen, dass das große Grinsen uns gefangen genommen hat?“

„Genau zu diesem Schluss sind wir gekommen. Außerdem sind wir davon überzeugt, dass wir uns in einer ihrer größeren Basen befinden.“

„Wie kommen sie darauf?“

„Das Gefängnis ist zu gut und es gibt besondere Kleidung für die Gefangenen. Allerdings hat noch niemand mit uns gesprochen, weswegen wir unsere Vermutungen natürlich nicht beweisen können.“

Wie auf Stichwort hörten sie in diesem Moment ein Schloss an der Tür gehen. Wenig später wurde sie geöffnet und eine sehr beeindruckende Figur betrat den Raum.

Die Pylonisten nahmen an, dass es sich um einen Menschen und zudem um einen Mann handeln musste. Er war groß, größer als der Professor, dabei aber mehr als doppelt so breit. Große, muskulöse Männer hatten sie jedoch gerade erst auf dem Papierflieger gesehen, weswegen sie dies alleine kaum beeindruckt hätte.

Es war die (zartbitter-) schokoladenbraune Rüstung mit dem gehörnten Visierhelm, dessen Augenschlitze mit verspiegeltem Glas versehen waren, der sie tatsächlich mit Ehrfurcht erfüllte. Der wuchtige, Mannshohe Speer, dessen Klinge fast die Hälfte seiner Länge ausmachte, fiel da kaum noch auf.

„Beeindruckend“, stellte der Professor sachlich fest, woraufhin Au unbewusst nickte.

„Mitkommen!“ befahl der Mann mit dröhnender Stimme, die kaum eine Widerrede zuließ.

Der Gang, den sie diesmal entlang gingen, war vor allem grau und trist, hatte also wenig mit den Gängen des Papierfliegers zu tun. Trotzdem konnte sich Fidster kaum eines Kommentars enthalten.

„Habt ihr auch so ein Deja Vu?“

„Ich hab‘ gar nichts außer Hunger. Außerdem Langeweile, weil sich die letzten zwei Tage wiederholen.“

„Ruhe!“ brummte sie eine metallene Stimme hinter ihnen an. Insgesamt waren sie von vier Wächtern umgeben, die sie kaum auseinanderhalten konnten. Bei dem letzten schien es sich jedoch um jemand anderen gehandelt zu haben, als bei demjenigen, der sie aus der Zelle geholt hatte. Die Stimme des ersten hatte irgendwie mehr nach Stahl geklungen, fand der Professor. Die jetzt hatte den Unterton von Kupfer gehabt. Er wusste selbst nicht, wie er darauf gekommen war oder was es bedeuten sollte, aber es ergab Sinn für ihn.

Sie wurden durch mehrere Gänge und eine lange Treppe hinauf geführt. Alles sah sehr zweckmäßig aus, beleuchtet von magisch gespeisten Leuchtern, die ihr kaltes Licht mit einem leisen brummen verstrahlten. Nur das Material, aus dem das Gebäude gebaut zu sein schien, bereitete dem Professor Kopfzerbrechen. Es war weder Metall noch Holz oder Stein. Es war in großen Platten für den Boden, die Wände und die Decke angefertigt worden und schluckte viel des Schalls, den man von Steinfluren erwartet hätte. Die Farbe, Trittfestigkeit und all die anderen kleinen Dinge, die ins Auge fielen, ließen in dem Professor den Verdacht aufkommen, dass es sich um Unobstoneium handeln könnte, jenen fast mythischen Stoff, der sich nur mit sehr viel Magie herstellen und nur mit noch sehr viel mehr Magie erhalten ließ. Was natürlich die Frage aufwarf, wo sie sich befanden. Kein Ort auf ihrer Welt besaß so viel Magie, um ein solches Gebäude für einen längeren Zeitraum erhalten zu können.

Dies alles natürlich unter der Prämisse, dass seine Beobachtungen korrekt waren.

Nach einem Fußmarsch, der den Gefangenen wie eine halbe Ewigkeit vorkam, tatsächlich aber nur eine viertel Stunde gedauert und sie mehrfach an Käfigen mit großen Ratten vorbeigeführt hatte, denen jemand eine Repitierarmbrust auf den Rücken geschnallt hatte, gelangten sie in einen Raum, der auf ihrer Liste der Räume, in denen sie dem großen Grinsen erneut begegnen würde, ziemlich weit hinten vermerkt war. Vor der Tür standen weitere Schokoladenwächter, die ihnen aber ohne ein Wort die Tür öffneten. Im Inneren hingegen waren keine Wachen anwesend. Stattdessen bemühten sich zwei attraktive Männer um eine Frau, die auf eine Massagebank lag. Der Raum war in dämmriges Licht gehüllt und im Stil eines Massage-Salons eingerichtet. Der Frau auf der Bank entfuhr gelegentlich ein Stöhnen, ob aus Schmerz oder Wollust ließ sich schwer sagen. Erst als die Männer sich ihrem Unterleib zuwandten, regte sie sich und sagte: „Heute nicht, so gerne ich es auch hätte. Aber wir haben Gäste.“

Sie schwang sich von der Bank und offenbarte sich ihnen in ihrer ganzen Nacktheit. Cleene musste anerkennen, dass sich ihre Schwester gut gehalten hatte. Zu gut. Ihr Körper machte den Eindruck, als wäre er regelmäßig von allen Narben, Verunreinigungen und sogar Muttermalen gereinigt worden, was nicht im Bereich des Unmöglichen lag, wenn man berücksichtigte, welche Mittel ihre Organisation zu besitzen schien.

Nur die Narben am Mund hatte man nie geheilt, was vermutlich nicht daran lag, dass sie unheilbar waren. Groose streckte die Arme zur Seite und ließ sich von den Masseuren einen Umhang anlegen.

„Da ist ja meine Schwester. Wie schön, dass du es einrichten konntest. Auch euch anderen, Fräulein Au, Herr ‚Fidster‘“, sie machte tatsächlich Gänsefüßchen in der Luft, während sie den Namen aussprach, „und der Professor. Gut dich zu sehen, mein alter, verräterischer Freund.“

Man konnte dem Professor ansehen, dass er die Zähne zusammenbeißen musste.

„Sie können uns jetzt alleine lassen, Herr Kneter, Herr Reiber. Ich danke ihnen wie immer für ihre Dienste.“ Die beiden Männer verneigten sich und verließen den Raum. Statt ihrer betraten zwei der schokoladenbraunen Wachen den Saal. Groose sah das Unbehagen in den Gesichtern ihrer Gefangenen und musterte die Neuankömmlinge mit einer gewissen Genugtuung.

„Meine persönliche Garde, die Kakaorianer. Wegen der Farbe der Rüstungen. Nein, das ist falsch. Die Rüstungen haben diese Farbe, weil sie so heißen.“ Ein letztes Mal fuhren ihre Augen die gepanzerten Körper hoch und wieder hinunter, dann löste sie sich mit einem Seufzen von diesem Anblick und drehte sich wieder ihren Gefangenen zu. „Aber ich schwatze hier vor mich hin. Ihr müsst schrecklich erschöpft sein. Nach all den Abenteuern, die ihr erlebt hab. Und die Kämpfe! Außerdem heißt es, dass das Betäubungsgas Kopfschmerzen und Übelkeit bei einigen Verursacht. Ich kann mir kaum vorstellen, wie ihr euch fühlt. Aber nach einem ausgiebigen Mahl geht es euch sicher sofort besser.“

Sie ging auf eine Tür gegenüber der Wand zu, an der ihre Wächter Position genommen hatten und warf sie auf. „Kommt!“ trällerte sie ihnen noch zu, bevor sie im nächsten Raum verschwand. Die Wächter setzten sich in Bewegung und ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass dem großen Grinsen nicht zu folgen, eine Option wäre.

Wenig später saßen sie um einen riesigen Tisch herum. Groose hatte auf einem eleganten Thron Platz genommen, der am oberen Ende des Tisches stand. Ihr gegenüber, ans andere Ende, wurde Cleene ein Stuhl angeboten, die Professor erhielt eine ganze Seite für sich, während Au und Fidster sich die andere Teilen mussten, was immer noch bedeutete, dass zwei Meter zwischen ihnen lagen.

Auf ein Läuten hin wurde der Tisch mit Essen beladen. Es schien an nichts zu mangeln und es war sicherlich kein Zufall, dass alle in ihrer Reichweite Nahrungsmittel entdeckten, die zu ihren Lieblingsspeisen gehörten. Trotzdem wagte keiner zuzugreifen. Vielmehr versuchten sie sich von dem Schock zu erholen, der ihnen dieser Saal versetzt hatte.

Decke und Wände waren über und über mit vergoldeten Stuckarbeiten überzogen, mit Ausnahme der Flächen, an denen die riesigen Spiegel hingen. Und natürlich mit Ausnahme der Flächen an der Wand im Rücken des Professors, wo man Fenster mit großartigen Landschaftsmalereien hinterlegt hatte.

Der Professor drehte sich immer wieder nach den Fenstern um, bis er seine Neugier nicht mehr unterdrücken konnte.

„Gehe ich recht in der Annahme, dass wir uns in der Leere zwischen den Welten befinden, Frau Grinsen?“

„Nenn mich doch Groose, Professor. Und ich spreche dich bei deinem Vornamen an. Wie war er noch?“

„Professor ist vollkommen ausreichend, Frau Grinsen.“

„Wie schade. Dann werde ich wohl wieder zu Lakai zurückkehren. Daran bist du ja bereits gewöhnt. Aber um zu deiner Frage zurückzukommen: ja, wir befinde uns in der Leere. Es erschien mir der sicherste Ort zu sein, gemessen an den Nachstellungen, denen ich mich ausgesetzt sehe.“

Cleene schnaufte verächtlich. „Dann solltest du vielleicht nicht die Weltherrschaft anstreben?“

„Oh Cleene. Immer so kleingeistig. Ich weiß gar nicht, warum ich dich mal so sehr verehrt habe. Im Prinzip warst du immer nur ein primitiver Schläger, der seine Umgebung ohne viel Verstand terrorisiert hat. Aber ohne deine Gemeinheit wäre ich niemals das geworden, was ich jetzt bin. Unsere Eltern hätten uns niemals miteinander verbunden und ich wäre immer noch das kluge aber artige Mädchen, dass zu nett war, um etwas in dieser Welt erreichen zu können. Wie geht es ihnen übrigens?“

„Immer noch das gleiche Miststück wie früher.“

„Ich fand sie eigentlich immer sehr lieb und besorgt. Ich erinnere mich gerne an sie. Besonders an das entsetzte Flehen in ihren Augen, als sie sich sterbend auf dem Küchenboden wanden.“ Groose nahm ihren Becher und deutete einen Prost in die Runde an, bevor sie einen Schluck nahm.

„Aber nein, Cleene. Ich will nicht die Weltherrschaft. Dafür müsste man die Welt mit Heeren überziehen, Schlachten schlagen und viele Völker persönlich zerstören. Ich habe einen viel einfacheren und saubereren Plan. Aber lasst uns doch essen. Es ist gut und nicht vergiftet. Keine Angst. Ich werde euch schon bei Zeiten töten, aber jetzt noch nicht.“ Damit winkte sie einen Bediensteten zu sich hinüber. „Herr Aufleger, bitte ein wenig Gemüse und Fisch. Keine Sättigungsbeilagen“, und als würde sie ihre Gäste ins Vertrauen ziehen, beugte sie sich vor und sagte: „Man muss ja auf seine Figur achten.“

Fidster warf dem Professor noch einen letzten Blick zu, zog die Schultern hoch und zog die nächstbeste Schüssel heran.

Wenig später aßen sie alle, selbst Cleene, die am längsten ausgeharrt hatte. Nachdem die ersten Teller geleert waren, war es erneut der Professor, der das Gespräch einleitete.

„Nachdem sie mir eben bestätigt haben, wo wir sind, und wir wissen, dass ihnen nicht an der Weltherrschaft liegt, würde mich natürlich interessieren, was tatsächlich ihr Ziel ist. In all der Zeit, die ich für sie gearbeitet habe, haben sie niemals etwas dazu offenbart. Nachdem wir jedoch bereits zwischen den Welten sind, vermute ich, dass es um eine andere Dimension geht, die in ihren Plänen eine Rolle spielt.“

„Ach, Lakai. Wie immer grübelt dein Köpfchen über Dinge, die dich nichts angehen. Aber da ich es meiner Schwester sowieso erklären wollte, bevor ich sie töte, und nun auch keine Gefahr mehr besteht, dass einer von ihnen mir in die Quere kommt, wieso nicht?“

Sie nahm noch einen Schluck und lehnte sich zurück.

„Nein, Lakai. Es geht nicht um eine andere Dimension. Es geht um sie alle. Da du dich ja offensichtlich mit anderen Welten beschäftigt hast, kennst du vielleicht ja auch die Primär-Theorie.“

„Ich kenne mehrere Theorien dieses Namens. Ich würde aber in diesem Zusammenhang von der Theorie ausgehen, die besagt, dass es eine Dimension gibt, von der alle anderen abhängen. Es gibt sogar Experten, die der Meinung sind, dass alles, was dort geschieht, Auswirkungen auf alle anderen Dimensionen hat, dass zum Beispiel der Tod einer Person dort sich auf alle anderen Personen in den abhängigen Dimensionen, die dieser Person entsprechen, fatal auswirkt. Meinen sie diese Theorie?“

„Sehr gut, Lakai. Genau diese Theorie meine ich. Und was hältst du von ihr?“

„Sie widerstrebt mir. Sie würde bedeuten, dass wir, wenn wir nicht gerade zur Primärdimension gehören, keinen freien Willen haben und immer von den Handlungen unserer Vorbilder abhängig wären. Ich bevorzuge es, für meine Handlungen selbst verantwortlich zu sein.“

„Ich weiß genau, was du meinst. Allerdings glaube ich, dass du die neusten Forschungen auf diesem Gebiet noch nicht kennst.“

„Sicherlich werden sie sie mir gleich unter die Nase reiben.“

„Nenn es eine Belehrung. Man muss ja nicht immer alles so negativ ausdrücken. Aber ja, ich erzähle es dir nur zu gerne. Neuste Forschungen haben gezeigt, dass zwar alle Instanzen einer Person mit einander verbunden sind, das Schicksal der Primärperson jedoch nur marginale Auswirkungen auf die Ableger hat, es sei denn, die Verbindung zwischen ihnen wird magisch verstärkt.“

„Lassen sie mich die Implikationen ihrer Aussage zusammen fassen: zum einen behaupten sie, dass sie die Primär-Theorie bewiesen haben und zum anderen dass sie bereits Experimente durchgeführt haben, anhand derer sie feststellen konnten, wie die verschiedenen Persona zusammenhängen. Und zum letzten bedeutet dies natürlich auch, dass sie die Primärdimension ausfindig gemacht haben.“

„Wie immer sind deine Schlussfolgerungen so scharfsinnig wie eloquent ausgedrückt. Ich weiß schon, warum ich dich so lange in meinem Dienst belassen habe, obwohl du immer ein wenig renitent warst.“ Groose lächelte und nahm noch einen Schluck, bevor sie sich nachschenken ließ.

„Und was glaubst du, liebe Schwester, was das alles mit uns zu tun hat?“

„Ich habe keinen blassen Schimmer. Willst du mich in dieser Primärdings töten, damit alle Cleenes sterben?“

„Wow, ich bin begeistert. Du hast aufgepasst und auch noch die richtigen Schlüsse gezogen.“

„Das ist doch Unsinn. Mich gibt’s nur einmal.“

„Im Gegenteil! Es gibt dich häufiger als ich zählen konnte. Ich habe dich bereits so oft getötet, dass ich schließlich ein Tagebuch darüber angelegt habe. Und es war jedes Mal wieder eine Wohltat, dich sterben zu sehen. Aber es wird auf Dauer ermüdend, weswegen ich dich vollständig auslöschen werde.“

„All das nur aus Rache an ihrer Schwester?“

„Das, und ich werde natürlich die Primärdimension erobern, dort die nötigen Rituale durchführen und alle anderen Dimensionen auf diese Weise vernichten oder unterwerfen.“

„Ein ambitionierter Plan.“

„Ich weiß, aber einfach genial in seiner Simplizität.“

„Und warum haben sie Cleene damals in den Kopf geschossen?“ meldete sich jetzt auch Fidster zu Wort.

„Oh, das war ganz allein ihre Schuld. Sie hatte schon immer etwas an sich, dass mich leicht aus der Fassung gebracht hat. Und als sie meine Farm zerstörte, hat mich das so wütend gemacht, dass ich mich nicht beherrschen konnte. Mein Ratgeber, Herr Vizir, hat mir davon abgeraten, weil er bereits befürchtete, dass mir das Schaden könnte. Aber, was soll ich sagen, ich musste es auf die harte Tour lernen und bin inzwischen sehr froh, dass sie noch lebt. Vor allem, weil ich sie so noch einmal sterben sehen kann. Und dann werde ich endlich frei von ihr sein.“ Sie begann zu lachen. Es fing mit einem Laut an, den man als „Bwahaha“ hätte beschreiben können, wurde jedoch mit jeder Sekunde lauter und härter, bis es fast nur noch ein Kreischen zu sein schien.

Dann wurde sie auf einen Schlag still, winkte ihren Schokoladenwachen und die vier Gefangenen wurden unsanft aus ihren Sitzen gerissen. Essen flog durch die Luft und Gläser wurden umgeschmissen, als die letzten Bissen heruntergeschlungen wurden. Dabei ließen die Wachen jedoch viel Sorgfalt erkennen, ihnen alle Gerätschaften zu entwenden, die sie vielleicht eingesteckt hatten.

 

Erst als sie in ihrer Zelle waren, wagten sie wieder zu sprechen.

„Was jetzt?“

„Wir warten.“

„Wir warten? Worauf? Dass sie mich tötet?“

„Natürlich nicht. Aber wir können derzeit nichts tun. Wir haben keine Waffen, wir haben keinen Ausweg. Wir kämen nicht einmal aus dieser Festung heraus, wenn wir einen Weg wüssten, denn dazu müssten wir ein Transportmittel besitzen, welches uns durch die Leere bringt. Irgendwo wird es sie geben, aber wir wissen nicht einmal, um was es sich dabei handelt oder wie man sie bedienen könnte. Aber am entscheidendsten ist, dass wir das Grinsen aufhalten müssen. Und das können wir erst tun, wenn der BSV aufgehoben ist.“

„Und wie soll der aufgehoben werden, Prof? Ich sehe hier keinen mächtigen Zauberer, der das erledigen könnte.“

„Wir benötigen keinen Zauberer, denn Groose hat einen.“

„Woher wissen sie das?“

„Weil sie niemals riskieren würde, dich auf magische Weise umzubringen, wenn sie noch mit dir verbunden ist.“

„Häh?“

„Bevor sie ihr Ritual durchführt, wird sie selbst dafür sorgen, dass die Verbindung gelöst ist. Dann müssen wir zuschlagen.“

Cleene sah ihn nur groß an. Keiner achtete auf Fidster, der sich umdrehte und ein wenig würgte, bevor er sich in das Gespräch einmischte.

„Schöner Plan. Aber ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass wir in diesem Moment alle auf irgendwelchen Liegen festgebunden sein werden, umgeben von ihren Gefolgsleuten und halb benebelt von einer weiteren Erläuterung ihres simplen Plans, immer noch ohne Waffen und die Möglichkeit nach Hause zu kommen?“

„Ich finde, wir sollten einen Schritt nach dem anderen gehen und uns auf das wesentliche konzentrieren.“

„Mit anderen Worten, sie haben keine Ahnung, wie wir diese kleineren Schwierigkeiten überwinden sollen.“

„Mhm. Wenn du es so ausdrücken willst: ja.“

„Wir werden alle sterben!“

„Nich unbedingt, Frau Cleene. Sie will vor allem sie töten. Ich könnte mir vorstellen, dass sie uns übrigen erlauben würde, dass wir uns ihr anschließen.“

Cleene war sprachlos. Jetzt wurde sie sogar von Au verraten. Von Fidster hätte sie es erwartet und der Professor war zu pragmatisch, um es nicht wenigstens in Erwägung zu ziehen. Aber die blauhaarige Haartanerin war immer so etwas wie die Seele ihrer Gruppe gewesen. Wie konnte sie nur?

„Prof, vielleicht können sie mir etwas beantworten“, unterbrach Fidster die entstandene Stille. „Nach allem, was wir wissen, ist doch Cleenes Schwester nur so bösartig, weil Cleene mehr oder weniger gut geworden ist.“

„Die Worte ihrer Mutter besagen dies und auch Groose selbst scheint dieser Überzeugung zu sein.“

„Wenn Cleene wieder böse würde, müsste das Grinsen dann nicht wieder gut werden?“

„Das ist eine hübsche Theorie, die vermutlich sogar eine Überprüfung Wert wäre. Nur wie willst du den Fluss wieder umkehren?“

„Will ich gar nicht. Das Grinsen hat doch gesagt, dass sie davon betroffen wurde, als sie Cleene den Bolzen in die Stirn geschossen hat. Was wäre, wenn sie für einen kurzen Zeitpunkt gut wäre?“

„Gehe ich Recht in der Annahme, dass du Cleene einen Bolzen in den Kopf schießen möchtest?“

„Machen sie sich nicht lächerlich, Prof. Wo soll ich den denn herbekommen?“ fragte Fidster mit einem Grinsen.

„Dann bin ich ja beruhigt.“

„Aber ein Knochenstück tut’s vielleicht auch.“ Damit hielt er den Teil eines Schenkelknochens des Vogels hoch, an dem er genagt hatte, als man sie so unsanft vom Tisch entfernte.

Alle Augen wandten sich Fidsters Hand zu. Dann schwenkten die Blicke zu Cleene hinüber.

„Das kann nicht euer Ernst sein.“

 

 

Verwendete Tropen

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