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20. Kapitel

Die Diskrepanz zwischen lieblichem Ungeziefer und mörderischen Superhelden mit Haarbommeln kann nur in einem dreiseitigen Kampf mit starken Männern aufgelöst werden.

 

Wider Erwarten hatte die Ablenkung funktioniert und Au war in der Lage gewesen, beide Wächter mit ihrem Hammer auszuschalten, beziehungsweise gegen zwei Wände zu schleudern, wo sie Risse und Dellen hinterließen. Leider machte das einen der Propeller unbrauchbar.

„Oh, wie aufregend!“ rief WIGG, während sie sich das Ergebnis von Aus Wut betrachtete. Während die Pylonisten sich aus ihrem Versteck pulten und leise den Raum verließen, rief sie ihnen die Frage „Kann ich ihnen noch behilflich sein?“ nach, erhielt jedoch keine Antwort.

„Es war schön, sie kennengelernt zu haben? Haben sie noch einen schönen Ausbruch!“ war das letzte, was sie von ihr hörten, bevor sie die Tür hinter sich verschlossen.

Cleene übernahm die Führung, Pfeilpistole in der einen, Messer in der anderen Hand. Beides hatte glücklicherweise Aus Angriff überlebt. Fidster besaß nur das Messer der zweiten Wache, denn deren Pistole war zwischen Hammer und Wand zerbrochen.

Sie arbeiteten sich langsam den Papierflieger hinunter, immer darauf bedacht, niemandem zu begegnen. Mehrfach wichen sie dabei in offene Räume aus, was nicht schwer war, denn anscheinend verschloss auf diesem Gefährt niemand sein Zimmer.

So fanden sie auch relativ schnell den Raum, der den Kommandanten zu gehören schien. Es gab keine Namenschilder an der Tür oder irgendeinen direkten Hinweis im Innern. Doch drei Indizien sprachen für ihre Annahme:

  1. Der Raum war größer und besser eingerichtet, als alle anderen, die sie zuvor betreten hatten.
  2. Es war ein Raum für zwei Personen.
  3. Fast überall waren Aufkleber und Schilder verteilt, die kennzeichneten, was „ihm“ oder „ihr“ gehörte.

Fidster begann zu zittern und musste sich abwenden, wurde aber von den anderen in den Raum gezogen.

„Ich kann die Typen nicht ausstehen“, begann Cleene als erste zu sprechen. „Wollen wir hier alles verwüsten?“

„Das wäre eine Möglichkeit, sie wirklich wütend zu machen. Andererseits könnten wir uns hier auch ein wenig umschauen, um vielleicht etwas mehr über die Beiden zu erfahren, was uns schließlich vielleicht auch gegen deine Schwester helfen könnte.“

„Gmhm. Das macht aber nicht einmal halb so viel Spaß, Prof.“ Damit begann sie weiter in den Raum hineinzugehen. Dabei entdeckte sie zwei Backsteine, die sie ungläubig in die Hand nahm. Als sie den einen umdrehte, um festzustellen, ob der Beschilderungswahnsinn der Kommandanten selbst vor Steinen keinen Halt machte, rutschte er ihr prompt aus der Hand und fiel ihr auf den Fuß. Sie stieß „dummer Stein“ hervor, während sie auf einem Bein herumhüpfte. Auf dem Backstein, der mit dem Schild nach oben zum Liegen gekommen war, verhöhnte sie ein „Ihm“.

Gleich darauf beruhigte sie sich jedoch wieder und stieß einen spitzen Schrei aus, den der Professor und Fidster zuerst für einen weiteren Ausruf des Schmerzes hielten, der aber von Au korrekterweise als pures Vergnügen erkannt wurde. Eilig folgten sie ihr und konnten beobachten, wie sich Cleene vor einem Käfig voller Ratten niederkniete, an dem „Ihm“ stand. Daneben befand sich ein Terrarium mit Kakerlaken mit dem Schild „Ihr“, zu dem sich Au unwiderstehlich hingezogen fühlte.

Die nächsten Minuten verstrichen damit, dass die beiden Männer sich angewidert abwandten, während aus der Ecke beständig gurrende Laute und ausrufe wie „Ach, sie sind so süß“ oder „Was hast du für feine Beißerchen“ zu hören waren. Sie ließen sie für den Moment in ihrem Glück alleine, schon weil selbst dieser Raum zu klein war, um von vier Leuten gleichzeitig durchsucht werden zu können.

Erst nach ihrer nahezu ergebnislosen Suche begannen Fidster und der Professor die beiden Frauen auf die Beine zu zerren.

„Noch nicht!“

„Nur noch einen Moment!“

„Es ist genug! Habt ihr vergessen, dass wir auf der Flucht sind?“ Die beiden angesprochen schmollten, gaben aber klein bei.

„Außerdem sind wir mit der Suche fertig, und das einzige, was wir gefunden haben ist ein Geschenk von deinem Vater für dich.“

„Was?“ rief Cleene. „Wo ist es?“

„Dahinten“, deutete der Professor auf einen Schreibtisch, der „Ihr“ gehörte. „Aber ich halte es für keine gute Idee, es mitzunehmen.“ Cleene rannte zu dem Tisch und streckte bereits ihre Hand aus.

„Warum nicht? Es ist für mich!“

„Deswegen ja. Warum sollten die beiden Irren es an Bord haben, wenn sie es dir nicht geben sollten? Aber wenn sie es dir geben sollten, warum haben sie es dann nicht getan? Sie haben behauptet, genaue Anweisungen von deiner Schwester zu haben. Dann müssen sie auch genaue Anweisungen wegen des Geschenks besitzen. Das passt nicht zusammen.“

„Außerdem: warum sollte sie dir ein Geschenk geben, dass von euren Eltern stammt? Und wenn dein Vater auch nur annähernd die Meinungen deiner Mutter teilte, warum sollte er dir dann ein Geschenk machen?“ ergänzte Fidster die Überlegungen des Professors.

„Mein Erbe vielleicht?“ fragte Cleene wenig überzeugt, womit sie einige hochgezogene Augenbrauen und Blicke erntete, die in Zweifel zu ziehen schienen, ob die letzten Worte tatsächlich ihren Mund verlassen hatten.

„Na gut“, gab sie nach und warf einen letzten Blick auf das nicht einmal Handgroße Päckchen, eingewickelt in rotes Seidenpapier, versehen mit einer goldenen Schleife und ihrem Namen. Sie drehte sich zu ihren Kollegen um, die sich etwas entspannten und sich dem Ausgang zuwandten.

Cleene kamen in diesem Augenblick ihre Jahre auf der Straße zu Gute, denn so fiel es ihr nicht schwer, mit ihrer Linken noch in der Drehung das Geschenk in ihrem Ärmel verschwind zu lassen.

 

Erneut tasteten sie sich von Ecke zu Ecke, von Raum zu Raum und entgingen dabei zu ihrem eigenen Erstaunen fast eine Stunde lang der Entdeckung. (Der Flieger war keineswegs so groß, dass sie eine Stunde bis zur untersten Ebene benötigt hätten, aber es war nicht allzu schwer, sich in den immer gleichweißen Gängen zu verlaufen). Vermutlich war es dieses Erstaunen (und der Ärger, dass sie immer noch nicht draußen waren), welches sie etwas leichtsinnig werden ließ; sonst hätten sie sicher an der Tür gelauscht und wären nicht in den Fitnessraum der Mannschaft hineingestürmt, in dem wohldefinierte Muskelberge Gewichte hoch, runter, seitwärts und zurück bewegten. Der Glanz von Decke, Boden und Wänden verdeutlichte auf den ersten Blick, dass man gegen den tropfenden Schweiß mit Schneckenschleim vorgesorgt hatte. Au wurde augenblicklich rot bei so viel zur Schau gestellter Männlichkeit, während Cleene einfach interessiert dem Muskelspiel zusah. Zu ihrer Überraschung schien der Professor ebenfalls mehr als wissenschaftliches Interesse zu entwickeln.

Nur Fidster schluckte unruhig. In ihren Uniformen, mit der zusammengeschnürten Taille und dem Propeller, hatte man über sie lachen können, aber in schweißnasser Natur wirkten sie sehr viel bedrohlicher. Nicht dass sich etwas an ihrer derzeitigen Situation geändert und sie sowieso jede Begegnung hätten vermeiden sollen.

Anfänglich sahen sich die beiden Gruppen nur an und die halbnackten Muskelberge wirkten vor allem verwirrt. Dass drei der vier Eindringlinge ihnen begehrliche Blicke zuwarfen, reduzierte die Signale, die die Gesamtsituation verursachte, ebenfalls nicht. Schließlich gelang es dennoch Zweien der männlichsten, sich aus ihrer Starre zu befreien und dem Ausgang zu nähern.

„Was macht ihr hübschen denn hier?“ Der größere der beiden, ein geölter, junger Gott mit Schnauzbart, einem Scheitel, der mit demselben Mittel wie der Haarknoten von Cleenes Mutter behandelt worden sein musste, und einem Hügel zwischen den Beinen, der nur schwer von der enganliegenden Hose gebändigt werden konnte, hatte eine überraschend melodiöse Stimme, mit der es ihm gelang, seiner Frage gleichzeitig etwas bedrohliches aber auch einladendes zu verleihen. Sein Blick glitt dabei einmal über die gesamte Gruppe und verharrte am Ende auf Fidster, der erneut nervös schluckte.

„Wir haben uns in der Tür vertan“, stotterte er hervor, bevor der Professor eine bessere Antwort hätte geben können.

„So? Und wo wolltet ihr hin? Hier unten ist doch sonst nichts mehr?“

Fidster begann zu schwitzen und konnte nur mühsam seinen Fluchttrieb unterdrücken. Glücklicherweise kam ihm die immer noch rothaarige Au zur Hilfe. Sie hielt dabei ihren Hammer hinter ihrem Rücken, was ihn jedoch nicht wirklich verbergen konnte, da der Hammerkopf wie ein Heiligenschein ihren Scheitel umrahmte.

„Uns wurde gesagt, dass wir für das Nahkampftraining hier herunter kommen sollten. Wir sind neu hier und kennen uns noch nicht richtig aus.“

„Nahkampftraining?“ warf der Kleinere ein. „Wer hat euch denn das erzählt? Das machen wir niemals an Bord. Das wäre doch viel zu gefährlich.“

„Da ist uns wohl ein ganz schöner Bär aufgebunden worden“, war es jetzt am Professor, den Faden aufzunehmen. „Ich denke, die da oben werden gerade herzlich über uns lachen.“

Die trainierenden Männer entspannten sich merklich und einige begannen sogar zu lächeln. „Das kann ich mir vorstellen. Ich muss unbedingt herausfinden, wer sich das ausgedacht hat.“

„Bestimmt Lohquy. Der macht sich doch immer über Neue lustig.“

„Stimmt. Andererseits ist das nicht seine Art. Seine Scherze sind etwas gemeiner. Er hätte sie vermutlich eher zur Schleuse geschickt.“

„Ach, ich weiß nicht. Das hier hätte auch ins Auge gehen können. Kuck sie dir doch an. Sie tragen keine Uniform, sind nicht besonders ordentlich und haben auch noch eine Waffe dabei, die nicht den Regularien entspricht. Wir hätten sie leicht für Eindringlinge oder entflohene Gefangene halten können.“

Wenn der Mund der Pylonisten nicht so trocken gewesen wäre, hätten sie in diesem Moment zusammengerechnet mehr als zwei Liter Speichel heruntergeschluckt.

„Da hätten wir aber nicht gut aufgepasst. Woher hätte ein Gefangener eine solche Waffe haben sollen. Und Angreifer würden bestimmt keine unserer Pfeilpistolen benutzen. Denk doch mal nach.“

„Ha, da kennst du aber Lohquy schlecht. Der hätte ihnen wahrscheinlich sogar noch die Waffen in die Hand gedrückt, so dass wir denken müssten, sie hätten mit einer List ihre Bewacher überrumpelt.“

„Das ist doch kompletter Unsinn, Schnuckelchen. Wie hätten sie die Waffe denn mit an Bord bringen sollen?“

„Magie?“

Ungläubig folgten die vier entkommenen Gefangenen mit einer mitgebrachten Waffe, die nicht den Regularien entsprach, sowie einer Pfeilpistole, die sie einem ihrer Wächter abgenommen hatten, dem Wortwechsel. Aus Haar verfärbte sich sogar vor lauter Erstaunen in ein sanftes Rosa. Schließlich gelang es dem Professor wieder doch noch die Sprache zurückzugewinnen.

„Wir würden dann wieder gehen. Je eher wir wieder oben sind, desto schneller haben wir den ganzen unsäglichen Spaß hinter uns, nicht wahr?“

Die Pylonisten konnten ihr Glück kaum fassen. Sie hoben bereits alle die Hand, um sich zu verabschieden und überlegten, dass, sollten sie irgendwann auf die selten dämliche Idee kommen, Kinder in die Welt zu setzen, dies eine der Geschichten wäre, die sie ihnen niemals glauben würden („Wie wir vor ein paar Muskelbergen entkamen, die sich selbst einredeten, dass wir keine entkommenen Gefangenen wären.“), als ein Loch in den Boden des Fitnessraums gerissen wurde. Eine Hantelbank verschwand unter Scheppern in der Tiefe.

Augenblicklich erklang das ohrenbetäubende Geräusch eines Alarms und WIGG erschien an einer Wand des Raums. Die Schneckenschleimbeschichtung verhinderte ihre Entfaltung, so dass sie etwas bedrückt aussah. Ihre Stimme hatte aber immer noch den fröhlichen Klang eines manischen Delphins auf Hasch.

„Das Personal wird darauf hingewiesen, dass wir einen Hüllenbruch erlitten haben. Jungs es sieht so aus, als würden wir angegriffen. Am besten begebt ihr euch alle hurtig auf eure Verteidigungspositionen. Viel Spaß beim Verteidigen des Flugzeugs! Zeigt’s ihnen, Männer!“

Die beiden Gesprächspartner der Pylonisten sahen sich um, während hinter ihnen jemand „Danke WIGG“ rief. Dann trafen ihre Blicke wieder auf die vier.

„Habt ihr etwas damit zu tun?“ und „Das wäre jetzt ein ziemlich großer Zufall“, sagten sie fast gleichzeitig und sahen sich sofort nach etwas um, dass sie als Waffe verwenden könnten.

Je nach Person und Zeitpunkt könnte man den folgenden Satz mit „Glücklicherweise“ oder „Leider“ beginnen. Mangels der Möglichkeit, eine objektive Bewertung abgeben zu können, flog in diesem Moment eine Haartanerin in der kurzen Uniform der Seidenbrigade durch das Loch in den Raum, ohne dass dem Leser eine klare Aussage über das Glück dieses Umstands mitgegeben werden kann. Völlig Emotionslos blickte sie sich ausgiebig um, bevor sie ihren Gefährtinnen ein Zeichen gab.

Wenig später standen acht Haartanerinnen im Raum. In ihrer Kleidung ähnelte sie ihrer ermordeten Kollegin, unterschieden sich jedoch in Haartracht und Bewaffnung. Jede von ihnen trug ein buntes Zepter mit langen Bändern in der Rechten. Vermutlich gab der Kopf des langen Stabs einen ausgezeichneten Knüppel ab, wirke mit den Bändern jedoch sehr unhandlich. Au hatte von übermenschlichen Geschick gehört, dass die Agentinnen damit besitzen sollten. Was ihre Haare jedoch endgültig wieder in ihre Blaue Farbe zurückzwang, waren die Haarknoten, die wie Mäuseohren auf den Köpfen steckten.

„Keine Gefangenen“, flüsterte sie, als sie die Odangos des Todes erkannte. Auch dem Professor waren die Haarbommel aufgefallen und er versuchte Cleene und Fidster von der Tür fortzuziehen. Die Pylonistin verharrte jedoch noch einen Moment, als sie den Schriftzug auf dem Rücken einer der Frauen entdeckte.

„Veneficia GMbH? Die machen Werbung?“

Auch Au drängte nun zum Rückzug und schob an Cleene, während die Frauen der Seidenbrigade zum Angriff übergingen.

„Wenn die Seidenbrigadinen auf einen Vernichtungszug gehen, ist es Vorschrift, dass sie für Schäden an unbeteiligten Aufkommen. Sie brauchen das Geld wirklich dringend.“

„Ah“, gab Cleene zur Antwort, und schoss auf eine der Frauen, die gerade einen der Muskelmänner mit ihrem Zepter niederstreckte. Diese sah verblüfft zu ihr hinüber, wobei der Pfeil nicht ganz durch ihre Uniform gedrungen zu sein schien, denn das Betäubungsgift zeigte keine Wirkung. Die Haartanerin begann ihr Zepter zu schwingen, so dass die Enden der Seidenschleifen wie Peitschen durch die Luft zischten. Bevor sie jedoch zu dem entscheidenden Schlag ausholen konnte, traf sie das Ende einer Hantelstange, an der noch ein zwanzig Kilo Gewicht hing, und schleuderte sie in das Loch zurück, aus dem sie gekommen war.

Ansonsten verlief der Kampf jedoch nach den Wünschen der Seidenbrigade, die in kürzester Zeit ihre Gegner überwältigte, was Cleene endlich davon überzeugte, sich von dem Schauspiel zu lösen und den Eingang hinter sich zu verschließen.

Sie waren noch nicht um die nächste Ecke gerannt, als die Tür auch bereits eingetreten wurde. Was sie an anderen Orten vielleicht mit solcher Wucht aus den Angeln gesprengt hätte, dass sie gegen die gegenüberliegende Wand geknallt wäre, führte hier nur dazu, dass das Bein mit dem roten Stoffschuh etwas hilflos in der Luft hing und mühsam wieder durch ein Loch in der Papiertür herausgezogen werden musste.

Das gab den Vieren genügend Zeit, eine weitere Ecke zwischen sich und die anstürmende Meute junger Frauen zu bringen. Allerdings führte sie dies direkt in den Weg der anstürmenden Meute junger Männer, die nicht zögerten und sofort mit ihren Pfeilpistolen auf sie zielten.

Glücklicherweise konnten sich die Pylonisten durch eine Tür stürzen, ohne Rücksicht darauf, dass sie noch nicht geöffnet war.

„Das hat sich wirklich schnell in eine großartige Katastrophe verwandelt.“

„Ich kann nichts an dieser Situation erkenne, Fidster, was die positive Konnotation von ‚großartig‘ rechtfertigen würde.“

„Ich glaube, Herr Professor, dass Herr Fidster das Stilmittel der Ironie verwendet hat.“

„Bist du sicher, dass es nicht Sarkasmus war?“

„Könnt ihr den Mund halten? Da draußen sind jetzt zwei Gruppen hinter uns her und wir haben keinen Fluchtweg.“

„Das ist uns durchaus bewusst, Cleene. Derzeit können wir aber nicht viel mehr tun, als hier den Angriff abzuwarten oder uns durch die nächste Wand zu brechen.“

„Und warum tun wir das dann nicht?“

Für einen Augenblick war es still, so dass man nur den ohrenbetäubenden Lärm des Schreie und Befehle auf dem Gang hören konnte. Anscheinend waren die Wachen inzwischen auf die Haartanerinnen gestoßen und ein Kampf auf Betäubung und Tod war entbrannt. Dann ertönte ein „Da sind sie“ durch die Tür und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, rannten die vier auf die nächste Wand zu und durchbrachen sie.

Ihre Geschwindigkeit nur wenig gebremst, liefen sie gleich weiter, bis sie nach drei Räumen wieder auf einem Gang standen. Schwer atmend drehten sie sich um und wurden prompt von einer Haartanerin angesprungen, die auf Fidster landete. Glücklicherweise verfingen sich ihre Seidenbänder beim Ausholen in einer Zimmerpflanze des letzten Zimmers und Cleene hatte genügend Zeit, ihr die Pistole an den Kopf zu setzen.

Vielleicht wirkte die BSV tatsächlich auch für sie, denn ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden drückte sie ab. Der Pfeil bohrte sich tief in die Kopfhaut und die Wunde fing sofort zu bluten an. Die Haartanerin war augenblicklich Ohnmächtig, wobei zu befürchten stand, dass sie mehr als nur eine leichte Gehirnerschütterung davontragen würde. „Befürchtet“ war in diesem Moment sicherlich ein starkes Wort, da keiner der Anwesenden auch nur einen Gedanken an das Wohlbefinden ihrer Gegnerin verschwendete.

Hinter ihnen waren immer noch Kampfgeräusche zu hören, wobei der Kampf für die Wächter schlecht zu laufen schien. Orientierungslos wie sie derzeit herumliefen, konnte das einzige Ziel der Pylonisten derzeit nur sein, möglichst weit weg von der Seidenbrigade zu kommen, wenn sie die Schiffsverteidigung überwunden hatten, was aber zur Folge hatte, dass sie kaum Acht darauf gaben, was ihnen entgegenkommen mochte.

Prompt bogen sie um die nächste Ecke und rannten in einen kleinen Trupp aus vier Wächtern.

Sie waren sicherlich gut trainiert und befanden sich auf vertrautem Terrain. Außerdem waren sie natürlich kampfbereit und nervös, weswegen sich sofort ein Pfeil löste und Au in das Reich der Träume schickte.

Sie besaßen jedoch keine Vorstellung davon, was tatsächlich in das Schiff eingedrungen war, weswegen das Mehr an Adrenalin, welches durch Cleenes und Fidsters Adern floss, ihnen den entscheidenden Vorteil verschaffte.

 

Ein weiteres Mal wollen wir an dieser Stelle den Mantel der Sanftmut und des Friedens über den unnötig blutrünstigen Kampf hängen, um allzu sensible Gemüter zu schonen.

 

„Ich hatte mit mehr Widerstand gerechnet“, grinste Cleene, sobald sie all ihre Gegner getötet hatten, und wischte dabei ihr Messer an einer der Leichen ab.

„Immerhin haben sie Au mit einem Pfeil erwischt. Ein Glück, dass sie den letzten mit Aus Klöppel getroffen haben, Prof, sonst hätte er wahrscheinlich noch einen von uns beschossen.“

„Schnell, seht nach, ob ihre Propeller noch funktionieren.“ Der Angesprochene ging gar nicht erst auf Fidsters Worte ein, sondern machte sich an einem der Propellergürtel zu schaffen.

 

Eine halbe Stunde später standen sie wieder auf der Erde. Einer der Propeller hatte nicht funktioniert, aber sie hatten ja nur noch drei benötigt. Au sicher aus dem Papierflieger zu bringen war schon ein viel größeres Problem gewesen, dass sie aber auch mit einem Kleiderhaken und etwas Pappmasche hatten lösen können. Sie wären auch schon viel früher wieder auf dem Boden gelandet, wenn sie schneller einen Ausgang gefunden hätten. Letztendlich war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als sich bis zum Dach des Fliegers vorzuarbeiten, und von dort zu springen, eine Erfahrung, auf die sie alle gerne verzichtet hätten.

Sie versuchten noch ein gutes Stück von ihrem Landeplatz fort zu kommen, gaben es jedoch nach einer halben Stunde auf, da sich bei allen die Erschöpfung bemerkbar machte. Außerdem war Au zwar klein und leicht, aber auf Dauer wurde auch ihr schlaffer Körper zur Last.

Diesmal versuchten sie gar nicht erst, ein Feuer zu machen. Sie wären zu leicht aufzufinden gewesen und nicht einmal Fidster und Cleene gaben vor, es ohne ihr übliches Werkzeug hinbekommen zu können.

Also kuschelten sie sich wieder aneinander, wobei Cleene darauf achtete, außen zu liegen. Denn gleichgültig, wie müde sie war, sie war leider nicht müde genug, um das Geschenk vergessen zu haben. Der Gedanke daran bohrte in ihr, seitdem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten.

Sobald sie sich sicher war, dass das Schnarchen der Männer und das leise Surren der Haartanerin nicht vorgetäuscht sein konnten, löste sie ihren Arm von Au und setzte sich einige Schritte von ihnen unter eine Öffnung im Blätterdach, um wenigstens das wenige Sternenlicht ausnutzen zu können.

Sie legte das kleine Päckchen vor sich hin und ertastete die Bänder mehr, als dass sie sie sah. Sie zog sie auf und schob langsam das Papier zur Seite.

Zum Vorschein kam ein kleiner, rechteckiger Kasten mit einem einzelnen, dicken Knopf in der Mitte. Sie wusste, dass sie ihn nicht drücken sollte, dass es ein Trick, eine Falle sein musste. Sie wusste es so sicher, wie sie wusste, dass sie Gakunen hätten retten können, es aber für alle beteiligten so besser gewesen war. Aber noch bevor sie dieses Wissen tatsächlich in Gedanken umgeformt hatte, drückte ihr Zeigefinger bereits den Knopf.

Sofort war ein leises „Puff“ zu hören ein kleines Rauchwölkchen schwebte in den Nachthimmel

„Oh, verdaute Essensreste“, stieß sie hervor, während sie noch versuchte, auf allen vieren Rückwärts vom Päckchen fort zu krabbeln.

Sie kam nicht weit.

Mit einem Knall entstand eine sehr große Rauchwolke, in deren Mitte ein heller Lichtstrahl in den Himmel schoss.

Sie blickte dem Strahl nach, bis sie das Betäubungsgas mit Au im Land der Träume vereinte, was sehr beunruhigend war.

 

Verwendete Tropen:

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x http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/MachoCamp

 

Abgelehnte Tropen:

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Published inErstes Buch

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