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5. Kapitel

Unnütze Abschlüsse nützen nichts beim Verbrennen von Untoten, gegen ernstmeinende Nemesis und vor allem nicht im körperlichen Umgang mit Gestaltwandlern.

 

„Zwei Meißel in vier Tagen! Zwei Meißel! In vier Tagen! Zwei! Meißel! In! Vier! Tagen!“ Der Professor musste Luft holen. „Gehören noch irgendwelche anderen teuren Gegenstände zu eurer Ausrüstung, die ihr kaputt machen könntet? Ich will es nur wissen, damit ich jetzt schon Ersatz bestellen kann, bevor wir tagelang unsere Arbeit liegen lassen müssen.“

„Der Chaosmeißel ist doch nur leer“, antwortete Cleene etwas kleinlaut. „Der ist morgen wieder aufgeladen.“

„Das sagst du jetzt. Ich habe ihn noch nicht untersuchen können. Etwas, das ich nach jedem Einsatz tun sollte. Aber das geht jetzt ja nicht. Er ist schließlich vollkommen leer. Erklärt mir noch einmal, wie es sein kann, dass ihr nicht in der Lage seid, auf eure Sachen aufzupassen.“

„Und warum Gakunen umgekommen ist.“ Aus Worte fielen in die kurze Stille, die das Ende des Wortstroms des Professors hinterließ. Ansonsten hätte vermutlich niemand ihr Stimmchen gehört.

„Ich sehe nicht, was es da noch zu erklären gibt? Wir sind zur Höhle gegangen. Die Dinger sind aufgewacht. Cleene hat einige Knöpfe gedrückt, bis sie endlich den zum Vernichten gefunden hat. Dann haben wir versucht, uns den Weg freizukämpfen. Da unsere Schwerter keine Wirkung zeigten, blieb uns nur der Meißel. Als der leer war, hat es Gakunen erwischt. Am Ausgang hätte es auch uns fast gerissen, als uns die Sohlen wegätzten. Aber glücklicherweise konnten wir auf die Leichen einiger Golems, oder was auch immer das waren, treten. Nicht besonders appetitlich, aber anders ging es nicht. Anschließend haben wir noch am Ausgang gewartet, um sicher zu gehen, dass nicht doch noch ein Viech herauskommt.“

Die beiden Polynisten hatten eine ganze Weile an diesem Bericht gefeilt. Hauptsächlich lag es daran, dass Cleene gerne jegliche Erwähnung von Knöpfen vermieden hätte. Aber letztendlich hatte die Einsicht gesiegt, dass es vernünftiger war, dicht an der Wahrheit zu bleiben, wenn sie vermeiden wollten, sich unter den Fragen des Professors in Widersprüche zu verwickeln.

Und wie nicht anders zu erwarten gewesen war, kamen sie auch schon:

„Du hast Cleene in die Nähe von Knöpfe gelassen?“

„Nur, um das schlimmste zu verhindern.“ Fidster zog den ruinierten Tastensimulator hervor. „Von den anderen Knöpfen konnte ich sie fernhalten. Allerdings muss ich wohl einen neuen bauen.“

„Mgm.“ Der grauhaarige Mann drückte Au zur Seite, die sich gerade interessiert dem Simulator nähern wollte, und riss Fidster den Haufen Schrott aus der Hand. Die beiden Pylonisten sahen ihm angespannt bei seiner Untersuchung zu, bis er das Gerät hinter sich warf, wo es auf einem Haufen technischer Trümmer neben dem Mülleimer landete.

„Und warum habt ihr kein Feuer verwendet? Untote bekämpft man mit Feuer.“

„Herr Professor! Sie wissen doch, dass die Wesen aus Uterinen Replikatoren stammten. Damit sind sie vermutlich Konstrukte. So wie das Monster ihres Kollegen. Wie hieß er noch? Dr. Stefansfels?“

„Konstrukte, Untote! Wenn es um Feuer geht, ist das alles dasselbe.“

„Gakunen hatte eine Fackel entzündet“, grinste Cleene. Das war leicht zu beantworten. „Die ist als erstes ausgegangen.“

„Mgm. Habt ihr versucht, eine der nachgelaufenen Flüssigkeiten zu entzünden?“

„Wir waren zu sehr damit beschäftigt, einen Ausweg zu finden. Vermutlich hätten wir nicht einmal das Feuerzeug in Gang bekommen. Mein Rucksack ist noch immer nass. Wenn der Meißel tatsächlich beschädigt sein sollte, dann liegt es an der Feuchtigkeit in der Höhle und nicht daran, dass ich ihn verwendet habe.“

„Außerdem wäre es mir neu, dass eine Mischung aus Säure, Gift und Nährflüssigkeit besser brennen würde, als das Gift alleine.“

„Es wäre durchaus nicht undenkbar, dass zwischen den einzelnen Flüssigkeiten eine Reaktion stattgefunden hat, die zu etwas entflammbaren geführt hätte. Aber von so etwas verstehst du als Nichtwissenschaftler ja nichts.“

„Ich mag ja nur theoretisches Origami studiert haben, aber zufälligerweise verwendet man in der Papierherstellung ebenfalls verschiedene Flüssigkeiten, die giftig, ätzend oder auch nahrhaft sind. Und ohne das Papier brennt da keine von.“

„Mgm.“

„Theoretisches Origami? Ernsthaft? Was wird man damit? Kunstkritiker?“

„In der Verbindung mit Magieverwendung in Null-Magiezonen erschien es mir eine sinnvolle Grundlage für die völkerkundliche Erforschung der Papiermenschen von Lithographia zu sein. Kurz vor meinem Abschluss ist dort jedoch ein Feuervogel durchgeflogen. Dadurch sind die natürlichen Magiedämpfer im Erdboden polarisiert und damit zerstört worden.“

„Ich meine gelesen zu haben, dass es in Lithographia zu einem Genozid gekommen sei?“ meldete sich Au zu Wort.

„Der Feuervogel hat nicht nur das Gestein angekokelt, ja.“

„Theoretisches Origami und Magieverwendung in Null-Magiezonen? Wie reich sind deine Eltern, um dir so einen Schwachsinn bezahlen zu können?“

„Das hat nichts mit meinen Eltern zu tun!“

„Aber hätte dir nicht Praktisches Origami mehr geholfen? Du wärst praktisch ein Gott unter den Lithographiern gewesen.“

„Mein Vater ist ein Papiermeister.“ Mehr sagte er nicht, denn seiner Meinung nach reichte dies als Erklärung für sein gesamtes Leben aus.

„Könntet ihr jetzt endlich aufhören, vom eigentlichen Thema abzulenken? Es interessiert mich nicht, welchen sinnfreien Beschäftigungen ihr vor eurer Arbeit für das ÖfAFödaBI nachgegangen seid. Wir haben weder einen Chaos- noch einen Ordnungsmeißel und ihr seid drei Pylonen im Rückstand. Und ich sehe nicht, dass ihr irgendetwas herausgefunden habt, außer dass Wasser nicht brennt. Darüber hinaus habt ihr große Teile der Beweise vernichtet und wir können nicht ohne weiteres in die Höhle gelangen, um sie noch einmal zu untersuchen. Das ist, gelinde gesagt, eine nicht zufriedenstellende Ausbeute für einen Tag Arbeit.“

„Dafür haben wir aber eine potentielle Bedrohung abgewendet. Zählt das nichts?“

„Ob es eine potentielle Bedrohung war, oder nicht, können wir derzeit nicht einmal feststellen. Und dabei hattet ihr nicht einmal genügend Verstand, die Beweise zu vernichten.“

„Moment! Was werfen sie uns da gerade eigentlich vor? Dass wir alles vernichtet haben oder dass wir es nicht vernichtet haben?“

„Ist das so schwer zu verstehen? Wenn ihr etwas untersuchen sollt, erwarte ich, dass ihr mit Ergebnissen zurückkommt. Wenn ihr jedoch ein STAVAU verursacht, dann erwarte ich, dass ihr alle Beweise vernichtet. Geht das in eure Pylonenhirne hinein?“

Fidster beugte sich zu Cleene hinüber. Sein Flüstern hätte er sich sparen können, denn innerhalb des Wagens hörten ihn sowieso jeder. „Ich glaube, STAVAU ist mir nicht geläufig? Habe ich da irgendetwas im Abkürzungskatalog der ÖfAFödaBI überlesen?“

„Das stammt nicht aus dem OAKfdFdÖfAFödaBI.“ („Offizieller Abkürzungskatalog für das Feld des ÖfAFödaBI“. Genau diese Abkürzung steht seit der 27. Ausgabe nicht mehr im OAKfdFdÖfAFödaBI und ist daher auch nicht für die Verwendung im Feld freigegeben. Ein Glück, dass kein Federschubser anwesend war, sonst hätte man diese Zuwiderhandlung von ihrem Gehalt abgezogen) „Aber wenn du es unbedingt wissen musst steht STAVAU für ‚Scheiße Trifft auf Ventilator, Aufräumen Unmöglich‘. Ich habe aber auch schon ‚Scheiße Tiltet Alle Vakuumsauger, Ausräumen Unmöglich‘ und ‚Schnecken Töten Alle Velociraptoren, Arsch Unausgeglichen‘. Letzteres fand ich aber immer ein wenig weit hergeholt.“

„Könnt ihr beide nicht eine Minute lange bei der Sache bleiben?“

„Entschuldigung, aber sie haben nicht sanktionierte Abkürzungen verwendet. Ich muss schließlich sicher gehen, dass ich sie richtig verstanden habe.“ Fidsters Antwort wäre überzeugender gewesen, wenn er dabei nicht gegrinst hätte.

„Seit wann hört ihr mir richtig zu, geschweige denn versucht mich zu verstehen? Was soll ich bloß mit euch anfangen? Jetzt hängen wir hier noch länger fest als nach eurem letzten Desaster.“ Er warf die Hände in die Luft und drehte sich einmal im Kreis, als wollte er den Wagen nach etwas absuchen. „Als erstes müssen wir jetzt die Höhle untersuchen und gegebenenfalls dafür sorgen, dass keine Beweise übrigbleiben. Und zweitens müssen wir auf Ersatz für die Meißel warten. Wie ich zwei defekte Geräte erkläre, ohne Verdacht zu erregen, und uns gleichzeitig ein Hintertürchen offen halte, um im Zweifelsfall doch noch die Replikatoren ins Spiel zu bringen, kann ich mir noch nicht einmal im Ansatz vorstellen, aber es muss ja weitergehen. Und natürlich ist es mal wieder eure Schuld, dass wir in Schwierigkeiten sind.“

„Das können sie aber nicht so sagen, Herr Professor. Schließlich haben sie darauf bestanden, dass Frau Cleene und Herr Fidster mit Herrn Gakunen mitgehen, um die Höhle zu untersuchen.“

„Mgm! Das tut jetzt nichts zur Sache.“

„Und ich hatte mich schon gefragt, warum sie plötzlich so bereit waren, die Lösung unseres Problems auf sich zu nehmen. Danke, Au.“ Es erübrigt sich, darauf hinzuweisen, dass Au bei Fidsters Lob errötete.

Da die beiden Pylonisten wussten, wann sie den Professor nicht noch mehr reizen sollten, Au ihr Kontingent an Wörtern für diesen Tag erschöpft zu haben schien und der Professor schmollte, kehrte Stille in die mobile Einsatzstation ein, akzentuiert von dem Brummen verschiedener Geräte, die der Professor vergessen hatte, auszustellen.

In diese Stille fiel plötzlich ein dreimaliges Klopfen an die Eingangstür.

Nach der anfänglichen Überraschung, in der alle mehrfach Blicke gewechselt hatten, klopfte es erneut und Au erhob sich. Sie war zu höflich, um ein Klopfen ignorieren zu können.

„Ich komme gleich.“

„Bist du wahnsinnig? Wer sollte uns hier besuchen?“

„Vielleicht hat Herr Gakunen überlebt.“

„Das klingt nicht nach ihm.“

„Sie können an dem Klopfen erkennen, dass es nicht Herr Gakunen ist?“

„Du musstest ihn nicht einen halben Tag ertragen. Wenn Gakunen geklopft hätte, hätte er spätestens beim zweiten Klopfen einen Fehler begangen.“

„Nein, Cleene, er hätte nicht einmal geklopft. Er hätte so etwas wie ‚Was klopft der Esel, wenn er die Mühle betritt?‘ gesagt.“

„Stimmt. Oder ‚Kräht der Hahn auf dem Mist, Klopft man, um zu sehen, ob jemand drinnen ist‘.“

„Der ist gut. Du hast sogar den Akzent hingekriegt. Wie wäre es mit ‚Der Einfältige klopft, der Weise tritt ein‘.“

„Das klingt tatsächlich, als würde es einen tieferen Sinn ergeben.“

„Du hast Recht. Kein gutes Beispiel. Dumm von mir.“

„Könnt ihr beide jetzt aufhören und nachsehen, wer vor der Tür steht. Natürlich vorsichtig.“ Der Professor kramte in einer der Schubladen seiner Werkstatt herum und verbarg anschließend etwas in der Rechten. Unterdessen griff Au nach ihrem Tarot, wobei Cleene sich die Frage stellte, ob ihre Zeichnungen erschreckend genug waren, um als Waffe betrachtet werden zu können. Fidster zog sein Kurzschwert, hielt es aber hinter Arm und Rücken verborgen.

Nur Cleene bereitete sich auf keinen Kampf vor, denn heute war sie mit dem Öffnen der Tür dran. (Der Professor hatte ein System ausgeklügelt, mit dessen Hilfe er scheinbar fair bestimmen konnte, wer gerade bestimmte Aufgaben zu erledigen hatte. Wenn er es erklärte, schienen die Berechnungen anhand der Wochentagsnamen, des Datums, ihrer eigenen Namen und des Mondstandes Sinn zu ergeben, trotzdem blieb immer ein schwärendes Gefühl, dass er seltener irgendwelche Aufgaben übernehmen musste, als jeder andere).

Als Cleene die Tür aufschwang blickte sie direkt in die Augen einer Frau mit einem sehr breiten Grinsen. Es dauerte einen Moment, bis Cleene begriff, dass die Mundwinkel der Frau nicht tatsächlich bis dicht an die Ohren reichten. Stattdessen waren es lange Narben von Schnittwunden, die man unsauber vernäht hate. Die Frau sah nicht nach einer Piratin aus, sonst hätte Cleene vermutet, dass sie sich in ihrer Karriere irgendwann einmal mit einer Klinge im Mund von einem Schiff zum nächsten Geschwungen hatte. Trotzdem schloss sie fast automatisch aus, dass jemand anderes ihr diese Wunden zugefügt hatte, schon weil sich in ihr eine Erinnerung zu regen begann, die ihr verzweifelt mitzuteilen versuchte, woher sie ihr Gegenüber kannte.

Sie kam jedoch nicht mehr dazu, ihre Erinnerungen hervorzukramen. Sie kam nicht einmal mehr dazu, die Fremde zu begrüßen. Das einzige, was sie noch zu Stande brachte, war, die Augen aufzureißen und in die Handarmbrust zu blicken, die plötzlich vor ihre Nase gehalten wurde.

Dann traf sie der Bolzen in die Stirn.

Sobald das Geräusch der nach vorne schnellenden Sehne verklungen war, kippte Cleene nach hinten und schlug hart auf dem Boden auf. Ihre drei Kollegen hatten keine Zeit, zum Angriff überzugehen, denn im Aufgang der Tür erschienen jetzt zwei große Männer in Keramikrüstungen, die moderne Repetierarmbrüste in den Wagen hineinhielten.

„Das hat nichts mit euch zu tun“, erklang von draußen eine Frauenstimme. „Also macht es nicht zu eurer Angelegenheit. Cleene und ich hatten noch eine alte Rechnung offen. Seid dankbar dafür, dass ich mich nicht für die Zerstörung meiner Brut räche. Sollten wir uns noch einmal begegnen, werde ich nicht so gnädig sein.“ Ein Pfiff war zu hören und die Tür wurde zugeschlagen und, so wie es sich anhörte, verrammelt.

 

Au war die erste, die zu Cleene eilte. Sie betrachtete die Frau für einen Augenblick, dann fühlte sie nach ihrem Puls.

„Sie lebt noch!“

„Sag jetzt nichts über Dickschädel, Fidster.“

„Ich? Nie! Zerbrechen sie sich mal darüber nicht den Kopf.“ Dafür erntete er einen strengen Blick des Professors, der jedoch nicht entscheiden konnte, ob Fidsters Worte so geschmacklos waren, wie sie sich für ihn angehört hatten.

„Soll ich den Pfeil herausholen, Herr Professor?“

„Es ist ein Bolzen, Au. Und ich glaube, ich sollte sie erste untersuchen. Wer weiß, was alles betroffen ist.“

„Aber wir können sie doch nicht hier liegen lassen“, beharrte Au an den Professor gewandt. Als sie sich jedoch wieder Cleene zuwandte, wurde sie bleich und verdeckte mit beiden Händen ihren Mund.

„Welche schittverfickte Kackscheiße ist gerade passiert? Warum muss ich auf diese blauen Zotteln starren, wenn ich aufwache?“ Cleene richtete sich auf, nicht mühsam, wie man es bei einer Person mit einem Bolzen im Schädel erwartet hätte, sondern mit einer mechanischen Gleichmäßigkeit, die an eine Muskulatur aus Zahnrädern denken ließ. Ihre blauen Augen durchschnitten den Raum mit einem strafenden Blick, als würde sie am liebsten nicht nur die anwesenden Personen halbieren, sondern auch gleich das Dach des Wagens entfernen.

„Was glotzt ihr Flachwichser mich so an? Habt ihr noch nie eine Frau gesehen? Habt ihr nichts Besseres zu tun? Wartet nur!“ Sie kreuzte die Beine und drückte sich in einer fließenden Bewegung aus dem Schneidersitz in die Höhe. Gleichzeitig zog sie mit der Rechten ihr Schwert und mit der Linken Au an ihren Haaren in die Höhe.

„Ich weiß, was ihr denkt! Was ist mit der lieben, kleinen, braven Cleene passiert? Warum verhält sie sich so beschissen? Warum kann sie plötzlich so richtig verfickt fluchen? Ich kann euch sagen, was mit ihr passiert ist! Nichts ist mit ihr passiert! Alles ist in Ordnung! Ich bin wieder normal! Oder glaubt ihr, die verkrampfte kleine Zicke ist Cleene? Glaubt ihr das wirklich?“ Sie begann das Schwert zwischen dem Professor und Fidster hin und her zu schwingen. „Was Fidster? Ich habe eine Frage gestellt und höre immer noch keine Antwort! Oder sie ‚Herr Professor‘? In was sind sie eigentlich Professor? Muss man dafür nicht irgendwo an einer Universität herumschleimen? Oder glauben sie, Fidster wäre das nicht aufgefallen? Die kleine Cleene hat natürlich keine Ahnung von sowas? Denken sie das?“

„Also brav hätte ich dich eigentlich nicht genannt.“

„Willst du dich bei mir einschleimen, du kleines Stück Rattenkotze?

„Ich käme niemals auf die Idee.“ Damit hob auch Fidster seine Waffe und die Klingen berührten sich. „Glauben sie, Professor, dass an dem Bolzen irgendein magisches Gift dran war?“

„Du willst mit mir kämpfen, du kleiner Angeber? Du und dein Burschenschaftlergefechte?“

„Ich hätte nie gedacht, dass ich mich das sagen hören würde, aber ich vermisse die alte Cleene.“

„Jetzt weißt du, wie es uns mit dir ging, als du unter dem Einfluss des Kleids standst. Und um zu deiner vorherigen Frage zurückzukommen: Ich halte es nicht für ausgeschlossen.“

„Wenn ihr das denkt, sind eure Brägen noch verrotteter, als ich gedacht hatte.“

„Jetzt habe ich aber Genug. MEINE Frau Cleene weiß, dass es ausgesprochen unhöflich ist, eine Haartanerin an die Haare zu fassen. Das macht uns sehr wütend. Und diese unfreundlichen Worte können wir gar nicht ausstehen.“ Und tatsächlich war Au kaum wiederzuerkennen. Ihre Haare waren auf einen Schlag rot geworden, ihre Nase stieß markanter aus ihrem Gesicht und ihr Mund schien mindestens doppelt so breit geworden zu sein. Und das Grinsen, welches sie mit ihm zu Stande brachte, glich so gar nicht dem, das sie von der schüchternen Au gewöhnt waren.

Cleene war nicht minder verwundert als ihre derzeitigen Gegner, weswegen sie vermutlich auch kaum reagierte, als sich die Haartanerin in ihrem Griff wand und nach dem Bolzen in ihrer Stirn griff und ihn herauszog. Au wiederum bemerkte nicht, dass Cleenes Griff erschlaffte, sobald der Bolzen ihre Stirn verlassen hatte und rammte ihr daher mit einer flinken Bewegung ihren improvisierten Dolch in die Schulter.

Dieses Mal konnte Cleene nicht so einfach auf den Boden aufschlagen wie zuvor. Stattdessen traf sie die Tür, prallte ein wenig ab und traf schließlich mit der Schulter zuerst auf dem Boden auf, wodurch der Bolzen zerbrach. Au landete unsanft auf ihr, richtete sich aber sofort wieder auf, indem sie Cleene mit Knie und Handballen malträtierte. Wütend schnaufend betrachtete sie die betäubte Frau auf dem Boden und konnte sich nur schwer beruhigen.

„Und ich hielt das immer für ein Gerücht.“

„Was, Fidster? Dass die Haartaner mit ihren Stimmungen auch die Haarfarbe ändern? Ich hätte gedacht, dass das inzwischen weithin bekannt ist.“

„Nein, das doch nicht. Ich meinte, dass die Blauhaarigen zu brutalen Killern mutieren können.“

„Ach! Sowas wird gerüchtet? Das wäre doch ein vollkommen haltloses Gerücht.“

„Aber Au …“

„Ist Au. Sie konnte noch nie mit Unhöflichkeit umgehen.“

„Das sollte ich mir wohl besser merken.“

Inzwischen hatte sich der Professor hinter Au gestellt und sie sanft an der Schulter berührt.

„Fühlst du dich wieder besser?“

„Entschuldigung, Herr Professor. Ich habe mich gehen lassen.“

„Ist schon gut, Au. Ich werde darüber hinwegsehen.“

„Danke, Herr Professor.“

„Kommt das öfter vor?“

„Nicht mehr so häufig, wie noch vor ein paar Jahren. Aber es gibt einfach ein paar Dinge, die lässt man besser in ihrer Anwesenheit bleiben.“

„Und das erfahren wir … ich meine, das erfahre ich erst jetzt? Und was ist überhaupt mit Cleene?“

„Was mit Cleene ist? Sie hat Glück gehabt, würde ich sagen.“

„Glück? Sie hat einen Bolzen in den Kopf bekommen, der ihr sehr unsanft wieder herausgezogen und anschließend wieder in sie hineingesteckt wurde. Wenn sie Glück gehabt hat, weiß ich nicht, wie neuerdings bei ihr ein Tag voller Pech aussieht.“

„Ich meinte doch nicht den Bolzen. Das ist mir auch noch ein wenig Rätselhaft. Vielmehr hat sie mit Au Glück gehabt. Hätte unsere freundliche Haartanerin sich nicht so gut wieder unter Kontrolle bekommen, wir hätten ein Blutbad erlebt.“

„Ich will jetzt nicht an ihren Worten zweifeln, aber …“

„Herr Fidster, bitte. Wir sollten uns um Frau Cleene kümmern.“

„Gut, dass du uns daran erinnerst, Au. Fidster, ich halte es für nicht unangebracht, deiner Kollegin Fesseln anzulegen.“

Dieser Vorschlag gefiel Fidster gleich aus mehreren Gründen, wovon ein paar sicher nicht jugendfrei waren. Daher fand Cleene sich mit guten, stabilen Metallfesseln (ÖfAFödaBI-Standardmetallfesseln, gemäß Verordnung zur Ausstattung Mobiler Einsatzwagen, Kapitel 547, Abschnitt 13, Paragraph 69) an eine der Streben des Wagens gefesselt. Da sie die neue Cleene gerade erlebt hatten, rechneten die zwei Männer und die Haartanerin mit einigen Schimpftiraden. Mit denen, die sie schließlich zu hören bekamen hatten sie allerdings nicht gerechnet.

„Ihr ärgerlichen, kleinen, Ärgernisse! Warum habt ihr mich hier so unangenehm festgebunden? Was für ein Kinder-ah-ah ist hier im Gange? Hat diese blöde Kuh tatsächlich auf mich geschossen? Und warum starrt ihr mich alle so an, als wäre ich eine rückwärts kriechende Schnecke?“

„Vermutlich wird die Erklärung ein wenig mehr Zeit in Anspruch nehmen, als du dir jetzt gerade vorstellst, liebe Cleene, aber ich …“

„Sie haben mich an den Haaren festgehalten, Frau Cleene!“

„Das war allerdings, nachdem dir diese Fremde mit dem überaus breiten Lächeln in den Kopf geschossen hat. Ein Wunder, dass du das überlebt hast.“

„Nein ist es nicht. Vermaledeit, jetzt merke ich auch die Kopfschmerzen.“

„Ist es nicht?“

„Nein. Nach einer Nacht mit einem Gestaltwandler wurde mir eine Stahlplatte eingesetzt.“

„Du hast mit einem Gestaltwandler geschlafen?“

„Einem? Einer? Wer kann das schon sagen. Nach der Nacht konnte ich es auf jeden Fall nicht. Au!“

„Ja, Frau Cleene?“

„Nein, nicht du. Es tut weh.“

„Du hattest Sex mit einem Gestaltwandler und anschließend musste man dir eine Stahlplatte einsetzen?“

„Musste nicht, ich wollte nur gewappnet sein, wenn ich ihm das nächste Mal begegne.“

„So faszinierend dieser Ausflug in dein Privatleben auch ist, und ich zweifle nicht daran, dass der Konflikt zwischen meinem Ekel und meiner Neugier mich Nächte lang wachhalten wird, stehen wir derzeit vor einem immanenten Problem: Du hast uns vor wenigen Minuten noch bedroht. Wie können wir sicher sein, dass du es nicht wieder tun wirst?“

„Ich weiß nicht mal, was zwischen dem dummen Schuss und eben passiert ist. Mein dummer Kopf tut weh und meine Schulter fühlt sich an, als hätte jemand ein dummes Messer hineingesteckt … Ah, kein Messer, einen Bolzen. Immer mal was neues.“

„Das war Au.“

„Und es tut mir furchtbar leid, dass ich das getan habe.“

„Moment! Stopp! Halt! Jetzt wird es aber langsam ein wenig unglaubwürdig. Ich kann akzeptieren, dass jemand, den ich nicht kenne, mir eine Armbrust vor die Nase hält und auf mich schießt. Ich kann sogar glauben, dass ich mich etwas daneben benehme und vielleicht mein Schwert gegen euch richte. Schließlich kann ich schlecht leugnen, dass ich manchmal bei Kämpfen ein wenig abschalte. Aber dass Au mir einen Bolzen in die Schulter rammt? Das klingt doch etwas weit hergeholt. Und könntet ihr mich jetzt endlich losmachen und etwas gegen diese Schmerzen tun? Den vermaledeiten Bolzen rauszuziehen wäre schon mal ein Anfang.“

„Ich hätte es auch nicht gedacht, Cleene, aber Au kann wohl auch weniger höflich sein.“ Fidster beugte sich über seine Kollegin und löste die Fesseln (mit dem offiziellen ÖfAFödaBI Generalfesselschlüssel).

„Ehrlich? Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.“

„Hältst du das für eine so kluge Idee, Fidster?“ Der Professor hatte sich automatisch etwas weiter in den Wagen zurückgezogen.

„Ist es ihnen nicht aufgefallen? Sie ist wieder die alte Cleene. So lausig zu fluchen kann man nicht vortäuschen.“

„A…rgh“, stieß Cleene in diesem Moment hervor. Es war ein Versuch, nicht wieder aus Versehen den Namen der Haartanerin zu verwenden, während Fidster den Bolzen herauszog

„Ich verstehe nur immer noch nicht, was mit dieser Frau los war. Sie schien dich zu kennen. Bist du dir sicher, dass du sie noch nie gesehen hast?“

„Grmpf. Ja, bin ich. Auch wenn ich die ganze Zeit denke, dass sie mich an etwas erinnert, an dass ich mich nicht erinnern kann. Aber könnten sie jetzt, bitte – Au – diese Wunde …?“

 

 

Verwendete Tropen:

x http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/ADegreeInUseless
x http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/BurnTheUndead
x http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/NoNonsenseNemesis
x http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/PaperMaster
x http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/ShapeshiftersDoItForAChange
Abgelehnter Tropus:
http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/TheElevenOClockNumber

Published inErstes Buch

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